Dienstag, 18. August 2009

Meine ersten Arbeitstage

"Ibland känner jag mig mer som en pappa än som en lärare", auf deutsch: "Manchmal fühle ich mich mehr wie ein Papa als wie ein Lehrer." So hat mir einer der Lehrer an der Trönningeskolan seinen Job an einer schwedischen grundskola (Klasse 1-9) beschrieben. Und meinen ersten Eindrücken nach fasst dieses Zitat sehr gut zusammen, was einer der wesentlichen Unterschiede zwischen deutschem und schwedischem Schulsystem ist: Individualität, soziale Fähigkeiten, Gesundheit, Selbstbild - all diese Aspekte spielen eine superwichtige Rolle. Jeder Schueler wird als Individuum gesehen, das spezielle Fähigkeiten und Probleme hat. Bsp.: Bei der Uebergangskonferenz für die Schueler aus der 5. Klasse, die nun ins högstadiet (Kl. 6-9) kommen, wird keinesfalls über Noten oder fachliche Probleme gesprochen, sondern zu jedem Schüler wird ein kleiner Persönlichkeitsbericht vorgetragen. Medizinische Besonderheiten? Angst vor irgendetwas? Keine Freunde? Ich war wirklich beeindruckt davon, auch wenn ich noch keinen dieser Schüler kannte. Da die Schüler erst gestern begonnen haben konnte ich mir noch kein gutes Bild von der Unterrichtsrealität machen, aber das wird noch kommen.

Nach diesem kleinen Mittendrin-Einstieg möchte ich Euch aber noch ein wenig was von Schule (guckst Du hier http://www.utb.halmstad.se/skolor/tr/), meinem Start und natuerlich meinen "Kollegen" berichten.
Am 13.08. war der erste Lehrerarbeitstag, der mit einem Vortrag des Direktors Urban begann. Zur Schule bin ich mit Azita gekommen, die mich netterweise an der Jugendherberge abgeholt hat. Dann ab ins kalte Wasser... ich saß zwischen den ca. 50 Lehrern im Lehrerzimmer und plötzlich hieß es: Jetzt stellt sich unsere Sprachassistentin mal kurz vor. Ok. Aufstehen und auf Schwedisch vor den ganzen neugierigen Augen erklären, wer ich bin und warum ich da bin. Lyckligtvis - wie der Schwede für "glücklicherweise" sagt - hat das aber recht gut geklappt und alle waren ganz angetan davon, dass ich Schwedisch spreche. Insgesamt habe ich die meisten Lehrer als sehr interessiert an mir und meiner Tätigkeit erlebt, viele haben das Gespräch mit mir gesucht und versucht, mir ein wenig das schwedische Schulsystem zu erklären. Das ist wirklich superspannend live zu erleben, wie Schule in einem anderen land funktioniert.
Noch eine Anmerkung zum Lehrerzimmer: Man kann von dort aus das Meer sehen. Und es gibt einen Kaffeevollautomaten, an dem man per Knopfdruck Cappuccino, Wiener Melange usw. bekommt. Alter Schwede...
Freitag ging's weiter mit Konferenzen und einem Vortrag über jämstäldhet (Gleichberechtigung) und härsketekniker ("Mobbing-Mittel"). Wir mussten in Kleingruppen ein paar typische Schülersituationen vorspielen - super zum Kennenlernen.
Jetzt fragt ihr Euch vielleicht noch, wo ich wohne, oder? Also, ab 1. September werde ich in einer kleinen WG - höchstwahrscheinlich zusammen mit einer schwedischen Studentin - relativ zentrumsnah wohnen. Bis dahin komme ich bei Ulrika, meiner Betreuerin, und ihrer Familie unter. Das bedeutet jetzt 2 Wochen schwedisches Familienleben für mich. Ulrikas Mann und die Kinder Selma (8) und Tilda (6) sind supernett. Selma und Tilda sind goldig und verkörpern so typisch schwedische Mädchen, wie man sie sich vorstellt und von der werten Frau Lindgren kennt: Blonde lange Haare, süße Kleider, helle Stimmen. Gestern musste ich kurz auf Tildas Puppe aufpassen, während sie draußen die Aufffahrt mit Straßenkreide zum Blühen gebracht hat...
Am Sonntag waren wir zusammen im Schwimmstadion, das keinen Eintritt kostet und direkt am Meer liegt. Im riesigen Becken befindet sich beheiztes Meerwasser, herrlich. Dazu ganz viel Sonnenschein, sodass ich sogar noch ein wenig Farbe bekommen habe. Letzteres auch durch den entspannten Nachmittag im Garten mit einem guten schwedischen Krimi.
Gestern war Schulstart für alle Schüler und nun sind die Gebäude mit Leben gefüllt. Die Schüler sollen erstmal nicht wissen, dass ich Schwedisch kann, da sie ja mit mir v.a. ihr Deutsch und Englisch üben sollen. Uaaahhhh, nach 1 Woche Kommunikation fast ausnahmslos auf Schwedisch hab ich erstmal fast kein englisches Wort zu Stande bekommen. Erlebe gerade selbst das, wovon ich in Spracherwerbsseminaren schon so oft gelesen und sogar referiert habe: Code-Mixing und Code-Switching. Fehlt das englische Wort, kommt das schwedische. Im Lehrerzimmer den Schalter auf Schwedisch umlegen, draußen dann wieder auf Englisch und in den Deutsch-Kursen Schalter 3: Deutsch betätigen. Chaos im Kopf...

Bevor ich nun aber ein ganzes Romankapitel produziere schließe ich an dieser Stelle mit einem kleinen Ausblick auf das nächste Posting, in dem ich Euch über meinen ersten Arbeitsplan, erste Unterrichtsversuche und schwedische Schulbesonderheiten informieren werde. Bis dahin: Ha det bra allihoppa!

4 Kommentare:

  1. Oh, das hört sich ja alles gut an.
    Ich wusste vorher echt noch nicht, dass Schwedisch so eine unglaublich lustige Sprache ist... Ich amüsemiere mich jedes Mal wieder.
    Die Schule sieht schön aus, erinnert mich aber auch an meinen momentanen, sehr stressigen Alltag an der Schillerschule. Ich wünschte mir, auch ab und an mal die besonderen Fähigkeiten der Klassen 8+9 zu sehen... ;o) Vielleicht gibt's ja in den nächsten Postings von dir ein paar gute Tipps...
    Sonst ist hier alles fein, nichts Neues. Heute habe ich Sina getroffen, sie ist auch BAmäßig gestresst, aber tschaaaaakaaaaa, wir schaffen das alle!
    Bis bald, liebe Grüße aus Hannover!

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  2. Oh, habe ganz vergessen noch ein paar Wörter zu deiner Doce-Mixing/Switching Geschichte los zu werden...
    Habe heute von Sina erfahren, dass du die Pauli als Zweitprüferin abgegriffen hast. Sehr lustig! Wenn du wieder kommst, kannst du ihr ja ein bisschen neuen Stoof für interessanten Erzählungen im Seminar liefern. Ein Hoch auf das Code-Switching!

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  3. Tolle Tipps für Klasse 8/9 habe ich leider noch nicht parat, auch ich muss erstmal sehen, worauf die pubertierenden Wesen so stehen... ;-)

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  4. Låter verkligen som om du har kommit till en bra skola:-)
    Precis vad jag alltid har sagt till er i min undervisning att det inte är betygen som är viktigast, utan att social kompetens spelar stor roll både i skolan och senare i arbetslivet.
    Kan tänka mig att det är jobbigt med Code-Switching!
    Kram
    Sonja

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